Ein Projekt der Fachschaft Geschichte am ATG

Zum 83. Jahrestag der Reichspogromnacht bot die Fachschaft Geschichte am 09.11. und an drei weiteren Terminen im November ein freiwilliges Projektseminar über den antisemitischen Propagandafilm „Jud Süß“ in den Q2-Kursen Geschichte am ATG an. Die SchülerInnen setzten sich dabei unter Anleitung mit der Frage nach der Beeinflussung der Bevölkerung durch die NS-Propaganda, hier insbesondere mit dem Antisemitismus im Medium Film, am Beispiel eines Propagandafilmes auseinander. An dem Seminar nahmen alle Geschichtskurse der Q2 mit Interesse teil.

Der antisemitische Hetzfilm „Jud Süß“ gilt als bekanntester und wirkungsmächtigster antisemitischer Propagandafilm der NS-Zeit. 20 Millionen Menschen sahen den Film, der unter Regisseur Veit Harlan und unter Federführung des Reichspropagandaministers Goebbels entstanden ist, 1940 in den Kinos. Heute ist „Jud Süß“ ein Vorbehaltsfilm: D.h. er ist nicht frei zugänglich und darf, nach Anfrage bei der Friedrich-Murnau-Stiftung, die alle Rechte an dem Vorbehaltsfilm hält, aufgrund seines antisemitischen Inhalts nur in einem angemessenen pädagogisch-wissenschaftlichen Rahmen gezeigt werden.

Dieser Rahmen beinhaltete im Projekt neben der Filmvorführung selbst eine vom Fachkollegium geleitete Einführung sowie eine kritische Nachbesprechung des Films in einer insgesamt vierstündigen Projekteinheit. Zu der Einführung gehörte zunächst eine Einordnung des Filmes und dessen Handlung in den historischen Kontext sowie die Bewusstmachung seines propagandistischen Zieles. Neben grundsätzlichen Informationen erhielten die SchülerInnen auch eine Schulung über den Umgang mit dem Medium und seinen darstellerischen Mitteln. Zudem wurde die vorgetäuschte Historizität des Filmes entmystifiziert. Denn „Jud Süß“ wurde vom NS-Regime nicht offen als propagandistisch bezeichnet, stattdessen wurde er nicht nur der Bevölkerung, sondern gezielt auch der SS, der Polizei und den KZ-Wachmannschaften unter dem Gewand eines historischen Spielfilmes gezeigt. In der Nachbesprechung analysierten die SchülerInnen die teils expliziten, meist jedoch impliziten Beeinflussungsmechanismen, anhand derer der Film seine antisemitische Botschaft zu verbreiten suchte. Kritisch wurde das Aufgreifen von Vorurteilen, die Typisierung bzw. Generalisierung der im Film als jüdisch dargestellten Charaktere reflektiert, als Mittel zur Ab- und Ausgrenzung identifiziert und in einer lebhaften Diskussion besprochen. So werden im Film beispielsweise alle jüdischen Sprecherrollen von ein und demselben Schauspieler gespielt. Filmische Elemente wie die Überblende als Szenenwechsel, Musik, Kleidung, Gestik und Mimik der Charaktere fielen den SchülerInnen hierbei besonders auf.

Die anschließende Abschlussreflexion der Einheit half den SchülerInnen, sich über die NS-Propaganda in ihrer Funktionsweise noch einmal klar zu werden und gleichsam ein kritisches Bewusstsein für eine wache Zeitgenossenschaft zu wecken: Die SchülerInnen erkannten, dass sie auch in der Gegenwart teilweise indirekten Beeinflussungen ausgesetzt sind.